WS 2020/21 Virtuelle Hospiz-Exkursion

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  • Beitrag veröffentlicht:10. Dezember 2020
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Seit einigen Jahren findet im Rahmen des Seminars zu ausgewählten Problemen der Praktischen Ethik eine Exkursion zum Hospiz am Evangelischen Krankenhaus (EVK) in Düsseldorf statt. Gelten doch Krankenbesuche und Sterbebegleitung seit den Anfängen der christlichen Religion zu den Werken der Barmherzigkeit. Bereits die Verlegung einer Seminareinheit in den Begegnungsraum des Hospizes führt in der Regel zu einem Abbau von Hemmschwellen und ängstlichen Vorbehalten und hat schon einige in Vorbereitungskurse zur ehrenamtlichen hospizlichen Sterbebegleitung geführt. Da die allbeherrschende Pandemie einen physischen Besuch dieses Ortes in diesem Jahr nicht erlaubte, wurde das Unternehmen am Samstag, den 5. Dezember, in den virtuellen Raum verlegt. Die bereits bewährte Kooperation mit Frau Dr. med. Susanne Hirsmüller, der langjährigen Hospizleiterin, und der Diplompsychologin Margit Schröer gestattete die alternative Durchführung als zoom-Videokonferenz. Die beiden versierten Damen beeindrucken immer schon durch ihre vielfältigen beruflichen Lebenswege, die beide einmal mit Lehramtsstudiengängen begonnen haben. Die virtuelle Hospiz-Exkursion stand unter dem Thema „Reflexionen der Sorge für Betroffene und Begleitende am Lebensende“, weil wir in diesem WS-Seminar Begriff und Wesen der Freundschaft erörtern. Situationen von Leiden und Lebensende fordern Freundschaft in ganz besonderer Weise heraus. Die beiden Gastreferentinnen schlossen die Studierenden für die Thematik zu Beginn mit einer Assoziationskette zu Sterben und Tod auf, die jeder für sich in 10 Minuten erarbeiten sollte. Nach der Bildung einer Reihe von acht spontanen Begriffen zum Thema „Sterben und Tod“ sollten dann je zwei zu neuen Begriffen assoziiert werden, um in einem dritten Durchlauf erneut zwei Begriffe zusammenzufassen, bis schließlich ein einziger Begriff übrigblieb. Mit diesem Begriff kehrten alle in die Runde zurück und stellten ihn im Kontext bisheriger Erfahrungen mit dem Thema und vorhandener Erwartungen vor. Schon dieser Einstieg war überaus erhellend und berührend. Über zwei Fragen sollten die Studierenden dann in Kleingruppen diskutieren und wurden 20 Minuten in Breakout-Räume geschickt. Zu reflektieren war darüber, 1.) was Sterbende und 2.) was Nahestehende brauchen. Nach der Diskussion dieser Arbeitsgruppenergebnisse
entfalteten die beiden Hospiz-Expertinnen das Beziehungsfeld eines kranken Menschen, der weiß, dass er nicht mehr genesen, sondern in absehbarer Zeit an der Krankheit sterben wird. Dieses Wissen verändert die Lebenssituation und die Lebensperspektive von Grund auf, und zwar in physischer, psychosozialer und spiritueller Dimension. Zu dem Beziehungsfeld einer sterbenden Person gehören keineswegs nur Familienmitglieder und Freunde. Überraschend war hier, dass gerade die Bezugspersonen, die als erste in den Sinn kommen, sich oft als begrenzt hilfreich herausstellen. Vielfach ziehen gerade Freunde sich nach einer infausten Diagnose aus Überforderung und Verunsicherung zurück. Tragfähiger können Nachbarinnen, Arbeitskolleginnen oder Gemeinde- und Vereinsmitglieder sein. Oftmals können insbesondere Leidensgenossinnen einander wechselseitig Halt bieten. Ausführlich wurden die psychischen Belastungen Nahestehender in der Situation der Begleitung am Lebensende dargestellt. Dass dies insbesondere die der sterbenden Person nahestehenden An- und Zugehörigen in schwere depressive Verstimmungen stürzen kann, ist gesellschaftlich kaum bewusst. Daher hat hospizliche Sterbebegleitung nie nur die Sterbenden, sondern stets auch die An- und Zugehörigen als „Patientinnen 2. Ordnung“ im Blick, die emotionale, instrumentelle und informative Unterstützung brauchen. Der langen Liste der psychischen Belastungen Nahestehender in der Situation der Sorge für Sterbende wurde auch eine Liste positiver, unterstützender Aspekte an die Seite gestellt, die die Begleitung eines geliebten sterbenden Menschen zu einer Phase inneren Wachstums werden lassen kann, in der sich Beziehungen sogar noch vertiefen können. Auch für ehrenamtliche Begleiter*innen ist die Begegnung mit sterbenden Menschen vielfach eine Lebensschule, die die Einstellung zum eigenen Leben unerwartet bereichern und vertiefen kann. Oft fühlen sich Ehrenamtliche durch den Austausch mit Sterbenden reich beschenkt. Schließlich konnte uns Frau Dr. Hirsmüller auch noch einen kleinen filmischen Einblick in die Praxis an jenen Örtlichkeiten geben, deren Betreten uns diesmal verwehrt war. Wer neugierig ist oder die Arbeit gar durch Spenden unterstützen möchte, kann über die Homepage des Hospiz am EVK Kontakt aufnehmen. https://www.evk-duesseldorf.de/palliativnetzwerk/hospiz/wir-ueber-uns.html Gekrönt wurden diese Ausführungen hospizlicher Sterbebegleitung durch die Betrachtung eines Malzyklus, den ein 42jähriger Bäckermeister von mehr als 30 Jahren unter Anleitung von Monika Müller, einer führenden Persönlichkeit der deutschen Hospizbewegung, in den letzten Wochen seines Lebens angefertigt hat. Es war beeindruckend und tröstlich, von Bild zu Bild zu verfolgen, zu welch tiefer Spiritualität und zunehmendem Seelenfrieden
der mitten im Leben Todgeweihte, der sich nie im Leben künstlerisch betätigt hatte, gefunden hat. Bewegt haben wir uns nach diesen erfüllten Stunden verabschiedet, bereichert um Einblicke in die Begleitung Sterbender, die der christlichen Theologie zutiefst entspricht.